Alle drei Themen des Konziliaren Prozesses zu Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung beschäftigten die 53 stimmberechtigten Synodalen bei der Frühjahrssynode des Kirchenkreises Köln-Mitte unter Leitung von Superintendentin Susanne Beuth am Freitagabend.
Wie auch schon im vergangenen Jahr fand die Synode wieder in einer Zoom-Konferenz statt. Christoph Rollbühler, Pfarrer an der Christuskirche, und Heike Henneken, ehrenamtliches Mitglied des Kreissynodalvorstandes, nahmen mit ihrer Andacht die Teilnehmenden direkt in das Hauptthema des Abends „Kirche und Klimawandel – Chancen, Aufgaben und Perspektiven“ hinein. Inhalt der Andacht war die Jona-Geschichte. „Wir ändern die Perspektive, indem wir die Geschichte sozusagen grün neu lesen“, erklärte Rollbühler. Während er die Original-Fassung der Jona-Geschichte vortrug, interpretierte Henneken „grün“ neu. Jona im Bauch des Walfisches etwa: „Der Fisch bietet Jona Schutz, die Symbiose zweier Lebewesen bietet Schutz.“ Und weiter: „Inseln gehen unter, Starkregen überschwemmt große Flächen. Das lebensspendende Element Wasser vernichtet Menschen. Uns stockt der Atem angesichts der Katastrophen, die uns angekündigt wurden, die wir aber ignoriert haben.“ Doch es sei noch nicht alles verloren. „Es ist noch nicht die Zeit für ‚nach uns die Sintflut‘. Wir sind versunken in den Fluten, aber noch nicht darin umgekommen.“ Die Klimagerechtigkeit mache es notwendig, sich von Unwichtigem zu trennen, das Komfort und Luxus ausmache: „Darin liegt eine Freiheit.“
„Wer Euch hört, der hört mich.“
Dr. Volker Haarmann von der Evangelischen Kirche im Rheinland fasste sich kurz in seinem Grußwort. Er bezog sich auf den Wochenspruch aus dem Lukas-Evangelium: „Wer Euch hört, der hört mich.“ 72 Jünger seien von Jesus mit diesem Satz vorab in die Städte geschickt worden, die er besuchen wollte. Die Synodalen stünden sozusagen in der Nachfolge dieser Jünger: „In Ihren Entscheidungen soll der Auferstandene Gestalt finden.“
Mobilisierung von Frömmigkeitsreserven
Synodalassessorin Miriam Haseleu führte in das Hauptthema ein: „Die Klimakrise soll heute im Mittelpunkt stehen. Viele sagen: Die Klimakrise beschäftigt die ganze Welt, die Kirche beschäftigt sich mit sich selbst. Das soll sich ändern. Wir wollen erreichen, dass die Leute sagen: Mensch, die Kirche hat was zu sagen.“ Christoph Rollbühler begrüßte die Teilnehmenden einer digitalen Podiumsdiskussion. „Meine Bischöfin“ nannte er Bärbel Wartenberg-Potter, eine der ersten Bischöfinnen Deutschlands in der nordelbischen Landeskirche. „Die grüne Reformation ist ihr brandheißes Thema“, sagte Rollbühler weiter. „Ich möchte heute ein Plädoyer halten für die Bekehrung zur Erde“, nahm die ehemalige Bischöfin das Thema auf. „Es geht um die Mobilisierung unserer tiefsten Frömmigkeitsreserven, um durch unseren Glauben der Heiligkeit der Schöpfung Ausdruck zu verleihen. Das ist ein überlebenswichtiges Thema für die Erde. – Ich möchte, dass Ihr in Panik geratet“, zitierte sie Greta Thunberg.“
Aaron Helfen von „Fridays for future“ (FFF) war für die Synode aus Lützerath beim Braunkohletagebau Garzweiler 2 zugeschaltet. „Wir haben hier ein Protestcamp aufgebaut, das sich gegen den Abbau von Dörfern richtet. Dass die Kirche sich mit dem Klimawandel auseinandersetzt, habe ich bisher noch nicht wahrgenommen“, sagte er. Nächster Gesprächspartner war Professor Dr. Wolf-Dietrich Bukow. Er beschäftigt sich seit Jahrzehnten an der Hochschule beruflich mit den Themen Mobilität, Diversität und Regionalentwicklung. Auch den Klimawandel hat er seit 35 Jahren im Blick. Er erinnerte an das Buch über die Risikogesellschaft des Soziologen Ulrich Beck. Beck habe schon in den 80er Jahren auf die Klimaschädlichkeit der Braunkohle hingewiesen. „Aber im Lebensstil hat sich nichts geändert“, erklärte Bukow.
Weiterer Gast war Robert Schlief, Klimamanager bei der Evangelischen Kirche im Rheinland: „Ich würde mir von Kirche wünschen, dass wir in der Klimafrage die Vorreiterrolle einnehmen, die wir in den 80er Jahren im Rahmen des konziliaren Prozesses hatten. Unsere Gemeinden im Rheinland haben 6.000 Immobilien. Wir sind also auch Verursacher. Wir müssen nach Innen schauen, in die eigene Gemeinde, und dann alles tun, um eventuelle Umsetzungslücken zu schließen.“
Das Krisenbewusstsein ist da
Aaron Helfen erklärte, dass FFF einen wesentlichen Teil dazu beigetragen habe, das Krisenbewusstsein in der Gesellschaft zu erhöhen und den Klimawandel als wichtiges Thema zu begreifen. „Wir verschieben Diskurse, aber die Klimakrise muss zusammen angegangen werden. Es ist gut, wenn die Kirche mitmacht, denn FFF erreicht nicht die Menschen, die die Kirche erreicht. Das Krisenbewusstsein ist da. Vielleicht bin ich in einer Blase unterwegs, in der die meisten Menschen sich des Problems bewusst sind. Andere haben keine Anlaufstelle um Krisenbewusstsein zu entwickeln, Kirche kann diese Stelle sein.“
Bärbel Wartenberg-Potter lobte FFF. „Es freut mich sehr, dass es junge Leute sind, die das machen. Ich habe viele Pfarrerinnen und Pfarrer angesprochen. Wir müssen eine religiöse Kraft aus dem Glauben ziehen, die uns aktiv macht und widerständig, damit wir uns nicht so sehr fürchten.“ Es gebe leider eine sehr wirkmächtige Haltung, die geprägt sei von Macht und Dominanz. „Macht Euch die Erde untertan“ habe vielen das Bild vermittelt, die Erde dürfe ausgebeutet werden. Das sei nicht im Sinne des Schöpfers. „Wir werden nur die Bedrohungen überwinden, wenn wir in ein Zusammenleben mit den Geschöpfen kommen.“ Die frühere Bischöfin erzählte, dass sie ihren Dank sehr häufig an die Bäume richtet, die vor ihrer Wohnung stehen. „Weil sie mir die Luft herstellen, die ich brauche. Dieses Verständnis kann man in den Gemeinden teilen.“
„Brutales Gerechtigkeitsproblem“
Wolf-Dietrich Bukow nannte die Klimagerechtigkeit ein globales Thema. „Wer hat die Verantwortung für die Klimakrise? Wir müssen den Klimawandel stoppen. Stattdessen schieben wir alles auf die nächste Generation, die massiv einsparen muss. Genauso im Blick haben müssen wir die ärmeren Länder.“ Bei all dem handele es sich um „massive Fragen der Gerechtigkeit“. „Wir hier sind privilegiert. Warum fangen wir nicht an, unseren Lebensstil zu ändern? Der Meeresspiegel steigt. Wir haben genug Geld für Dämme. Bangladesch ist ein Land auf Höhe des Meeresspiegels. Die haben das Geld nicht. Auch hier sehen wir ein ganz brutales Gerechtigkeitsproblem.“
Stimme aus Honduras
Noel Landaverde nahm aus Honduras an der digitalen Synode teil. Er ist Mitglied der CASM Honduras. Die Organisation arbeitet in den Bereichen Armutsbekämpfung, Migration, Gewaltprävention, fairer Handel und Katastrophenvorsorge. Außerdem engagiert sich CASM im politischen Bereich und in der Menschenrechtsarbeit. Der Kirchenkreis Köln-Mitte unterhält eine Partnerschaft mit der CASM in dem südamerikanischen Land. Landaverde nannte es „unglaublich wichtig, dass Kirche auch über globale Probleme spricht. Klimaveränderungen sind auch Teil der Kirche und müssen in allen Ländern besprochen werden, weil es uns alle betrifft. In reichen Ländern wird viel darüber gesprochen, und wir schätzen das auch.“ Honduras sei aufgrund seiner Lage in den Tropen eines der Länder, das eine ganz besonders hohes Risiko wegen des Klimawandels habe.
Im November und Dezember 2020 hätten zwei Hurrikans gleichzeitig innerhalb von zwölf Tagen die honduranische Wirtschaft zerstört. „42 Prozent der Bevölkerung sind jung und leben mehrheitlich auf dem Land. Auf die Naturkatastrophe folgt die Migration.“ Die jungen Menschen gingen in die USA, ihre Arbeitskraft fehle Honduras. „Wir sind nicht die Verursacher der Klimakrise. Wir bekommen die Auswirkungen zu spüren. Durch Naturkatastrophen und den Anstieg des Meeresspiegels gehen uns Strände verloren und damit kultureller Reichtum. Wir möchten unsere Ressourcen schützen, auch aus unserem Glauben heraus. Wir müssen uns an die Situation anpassen. Was bleibt uns übrig? – Aber die Staaten, die für die Klimakrise verantwortlich sind, müssen dafür sorgen, dass wir das können.“ Auf großen Gipfeltreffen könne man sehr viel erreichen, stellte er weiter fest. „Wir dürfen aber fordern, dass internationale Verabredungen eingehalten werden. Dabei kann die Kirche mit gutem Beispiel vorangehen.“
50 Prozent weniger Kohlendioxid als 2005
Klimamanager Robert Schlief erinnerte an das Klimaschutzkonzept der Landessynode. Bis 2025 will die Kirche 50 Prozent weniger Kohlendioxid ausstoßen als im Jahr 2005. Schlief bietet den Gemeinden Seminare zur Selbsthilfe vor Ort an. Zunächst gehe es darum, den ökologischen Fußabdruck der einzelnen Gemeinde sichtbar zu machen. Dann folgt der ökologische Handabdruck. „Was kann ich machen, um etwas zu verändern.“ Klimaschutz werde zu häufig als zusätzliche Aufgabe verstanden. Als Beispiel für einen niedrigschwelligen Workshop nannte er ein Seminar zu klimafreundlichen Heizsystemen. Weiter lud er die Gemeinden ein: „Sie müssen das Rad nicht neu erfinden. Vernetzen Sie sich.“
Niedrig hängende Früchte zu pflücken
Prof. Bukow sieht in der Klimakrise die Kirche als Diskursplattform gefragt. Es gelte, gegen falsche Lebensstile zu intervenieren. „Wohnungen sind viel zu teuer. 60 Prozent aller Arbeitnehmer in Köln pendeln. So etwas müssen wir diskutieren. Da ist die Kirche als Akteur der Zivilgesellschaft gefragt. Das motiviert, es geht schließlich um Kinder, Enkel und die Menschen in aller Welt.“
Nach der Podiumsdiskussion trafen sich die Synodalen in Kleingruppen, um über Möglichkeiten der Gemeinden zu sprechen, den Klimaschutz voran zu treiben. In einer kurzen Zusammenfassung empfahl Robert Schlief den Gemeinden, „die niedrig hängenden Früchte zu pflücken“ und dann ausführlich darüber zu reden. Die Kreissynode beschloss, die Presbyterien zu bitten, bis zur Herbstsynode einen Fünf-Schritte-Plan zu erarbeiten, um mit neuen Impulsen ihrer Verantwortung für die Bewahrung der Schöpfung in der gegenwärtigen Klimakrise gerecht zu werden.
Impfstoff weltweit gerecht verteilen – Frieden umsetzen
Auch mit den Folgen der Corona-Pandemie beschäftigte sich die Frühjahrssynode. Sie forderte die Bundesregierung dazu auf, sich dafür einzusetzen, dass Impfstoffe weltweit gerechter verteilt werden und zumindest vorübergehend Patentschutz-Bestimmungen aufgehoben werden. Außerdem beschloss die Synode Mitglied der Initiative „Sicherheit neu denken“ zu werden, sowie einen Antrag an die Landessynode, sich der Initiative anzuschließen. Der Antrag kam aus der Gemeinde Klettenberg, die bereits Mitglied der Initiative ist. Ziel von „Sicherheit neu denken“ ist, dass bis 2040 zivile Sicherheit ohne Rüstung durchsetzbar ist. „Unsere Gesellschaft braucht solche Impulse. Solche Visionen müssen wir als Gemeinde in der Nachfolge Jesu als Friedensstifter setzen“, erklärte Pfarrer Ivo Masanek aus Klettenberg.
Eiswagen vor der Kartäuserkirche
„Kirche in Köln auf dem Weg in die Zukunft“ ist ein Prozess im Kirchenkreis, bei dem sich Arbeitskreise Gedanken über die nächsten Jahre machen. Pfarrerin Dorit Felsch, Leiterin der Evangelischen Telefonseelsorge“, stellte die Idee „Frisches zu Beginn des Sommers“ vor. Am Freitag, dem 25. Juni, wird von 12 bis 15 Uhr ein Eiswagen vor der Kartäuserkirche stehen. „Wir verteilen Eis und kommen mit den Menschen über die Frage ins Gespräch, wo es Frische und Erfrischung in der Kirche braucht“, berichtete Felsch. Drei weitere kirchliche Institutionen dürfen nach den Sommerferien den Eiswagen nutzen.
Veränderung der Kirchenkreisgrenzen
Die Synode beschloss auch einen Antrag an die Kirchenleitung auf eine Änderung der Grenzen des Kirchenkreises. Damit die Gemeinden Niehl und Riehl wie gewünscht fusionieren können, müssen die Grenzen zwischen Köln-Mitte und Köln-Nord verändert werden, was von allen beteiligten Partnern befürwortet wird.
Großes Tauffest im kommenden Jahr
Alle vier Kölner Kirchenkreise wollen 2022 im Rheinpark ein gemeinsames Tauffest feiern. „Vielleicht arbeiten wir mit dem Sommerblut-Festival im August zusammen“, informierte Synodalassessorin Miriam Haseleu. Die Taufen werden die jeweiligen Pfarrerinnen und Pfarrer der Gemeinden durchführen. „Es wird ein Rahmenprogramm geben, das Spaß macht, mit guter Musik und Zeichen der Diversität. Wir wollen unsere evangelische Stimme platzieren“, fuhr Haseleu fort. Eine große Mehrheit der Synodalen stimmte außerdem dem Vorschlag zu, Taufhindernisse abzubauen. Die Synode stellte den Antrag an die Landessynode, dass Kinder ohne bürokratische Hemmnisse getauft werden können, auch wenn die Eltern nicht der evangelischen Kirche angehören. Dabei wird vorausgesetzt, dass die Eltern dafür Sorge tragen, dass das Kind mit dem christlichen Glauben in Kontakt kommt. „Wir machen dazu als Gemeinden und als Kirche ja schon viele Angebote“, sagte Superintendentin Beuth.
Personalia
Pfarrerin Mareike Maeggi wurde am Pfingstmontag in einem Gottesdienst als Pfarrerin in Klettenberg eingeführt. Pfarrerin Eva Esche wird mit einem Gottesdienst am 27. Juni, 14 Uhr, in der Thomaskirche in den Ruhestand verabschiedet. Judith Schaefer ist seit dem 1. April 2021 Vikarin in der Gemeinde Klettenberg.
Stichwort: Kirchenkreis Köln-Mitte
Der Evangelische Kirchenkreis Köln-Mitte setzt sich aus den sechs Gemeinden Köln, Riehl, Nippes, Lindenthal, Klettenberg und Deutz/Poll zusammen. Das „Parlament“ des Kirchenkreises ist die Kreissynode. Ihr gehören im Kirchenkreis Köln-Mitte zurzeit 70 stimmberechtigte Vertreterinnen und Vertreter – Theologinnen, Theologen und Laien – aus den sechs evangelischen Gemeinden an. Geleitet wird der Kirchenkreis Köln-Mitte von Superintendentin Susanne Beuth gemeinsam mit dem Kreissynodalvorstand.
Text: Stefan Rahmann
Foto(s): Stefan Rahmannan Rahmann / APK
Der Beitrag Klimakrise, Impfgerechtigkeit, Sicherheitspolitik – Nachrichten von der Frühjahrssynode des Kirchenkreises Köln-Mitte erschien zuerst auf Evangelischer Kirchenverband Köln und Region.